Sport- und Kreativitäts­gesamtschule des Leonardo da Vinci Campus in Nauen

Lernen ein Abenteuer – in offenen Lernlandschaften mit digitaler Lernumgebung

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Linda Ritzka

„Wir lernen nicht nur mit Tablets – wir gestalten unsere Lernwelt selbst.“

Dieser Satz einer Zehntklässlerin bringt auf den Punkt, was an der Leonardo da Vinci Gesamtschule längst Realität ist: Digitalität ist hier kein Schlagwort, sondern gelebter Alltag. Tablets, Lernplattformen und projektbasiertes Arbeiten verbinden Unterricht, Partizipation und digitale Kompetenzen – mit messbaren Lernerfolgen und praxisnahen Lernsettings.
Digitalität wird heute nicht mehr ausschließlich als Fortschrittsversprechen gefeiert, sondern zunehmend kritisch – gerade im Bildungsbereich – diskutiert. Nach Jahren intensiver Bemühungen, Schulen umfassend zu digitalisieren, ziehen sich inzwischen erste Länder wieder spürbar zurück. Umso dringlicher stellt sich die Frage: Wie lassen sich digitale Technologien sinnvoll und nachhaltig in den Schulalltag einbinden – über die bloße digitale Kopie von Schulbüchern hinaus? Wie entfaltet der Computer sein pädagogisches Potenzial als Lern- und Arbeitswerkzeug?

Ein Campus, ein Leitbild

Unsere Gesamtschule ist Teil eines lebendigen Campus, der Bildung und Betreuung von der Kita bis zum Abitur vernetzt. Wohngruppen, Hort und Ganztagsangebote schaffen einen durchgängigen Bildungs- und Lebensraum, in dem Kinder und Jugendliche nicht nur fachlich gefördert, sondern auch sozial gestärkt werden. Dieses Campusmodell prägt unser Leitbild: Lernen und Leben gehören zusammen – verlässlich, inklusiv und zukunftsorientiert.

Rund 420 Schüler:innen lernen derzeit in der Mittel- und Oberstufe der Gesamtschule – in kleinen, gut betreuten Tutorien. Schon in der Mittelstufe können sie eigene Schwerpunkte setzen: kreative Profile wie Kunst oder Musik, Sport oder MINT. Zusätzliche Ganztagsstunden bieten Raum, Talente zu entfalten und eigene Interessen zu vertiefen. Kunstausstellungen, Konzertabende und sportliche Erfolge sind sichtbarer Ausdruck einer lebendigen Schulkultur.

Unsere Vision – erste Schritte

Unser Unterricht nutzt digitale Werkzeuge nicht als Selbstzweck, sondern als Chance, individuelle Lernwege zu eröffnen, Zusammenarbeit zu stärken und junge Menschen zu kritisch denkenden Gestalter:innen einer vernetzten Zukunft zu befähigen.

2016 starteten wir den Weg in die Digitalität: Lehrkräfte erhielten dienstliche Laptops, Schüler:innen brachten eigene Geräte mit. OneNote ersetzte Hefte und Bücher, „Teams“ wurde zur Kommunikationsplattform. Von Beginn an verabschiedeten wir uns von vorgefertigten Materialien der Schulbuchverlage und entwickelten passgenaue Inhalte für unsere heterogenen Lerngruppen. Projektorientiertes Arbeiten wurde früh zum Markenzeichen unseres Schulkonzepts.

Dann kam die Corona-Pandemie. Während vielerorts Stillstand herrschte, blieben wir handlungsfähig: Kinderzimmer und Küchen wurden zu Klassenräumen, gemeinsames Lernen und Prüfen fand nahtlos über Bildschirme statt. Die etablierten digitalen Strukturen trugen – der Bruch fiel vergleichsweise gering aus.

Neue Wege: Lernen neu gedacht

Doch wir wollten mehr: 2023 wagten wir den nächsten großen Schritt und brachen Mauern ein, im übertragenen wie im wörtlichen Sinn. Wer Lernen neu denkt, muss auch die äußeren Rahmenbedingungen verändern.

Klassische Klassenräume wichen offenen Lernlandschaften mit Gruppentischen, Lernnischen und Ruheräumen. Starre 45-Minuten-Takte wurden abgelöst von großzügigen Freiarbeitsphasen, flexiblen Kurswahlen und individuellen Lernplänen, die auf unterschiedliche Leistungsniveaus eingehen.
Die Fächer sind heute kompetenzorientiert modularisiert und um projektbasierte Alternativen ergänzt. Zu Beginn des Schuljahres erhalten die Schüler:innen eine Übersicht mit allen Modulen, Gelingensnachweisen und Prüfungsformaten. In wöchentlichen Einzelgesprächen planen sie gemeinsam mit ihrer Tutorin oder ihrem Tutor, welche Materialien sie bearbeiten und wann sie Prüfungen ablegen.

Unsere digitale Lernumgebung bildet dafür den organisatorischen Kern: Sie bündelt Kurspläne, Materialien und Lernfortschritte. Ein Graduierungsmodell (Level A–E) zeigt den aktuellen Stand der Eigenständigkeit und steuert, wie eng die Tutor:innen begleiten.

Zu Schuljahresbeginn buchen die Schüler:innen über die Plattform ihre Nebenfächer – aus Gesellschafts- und Naturwissenschaften sowie den Kreativbereichen – und wählen selbst, bei welchen Lehrkräften und in welchen Lerngruppen sie arbeiten möchten. In den Hauptfächern Deutsch, Englisch und Mathematik übernehmen sie ebenfalls Verantwortung: Viermal im Jahr wählen sie ihre Kurse neu. Ein Teil der Unterrichtszeit fließt in diese Kurse, der Rest des Stundenkontingents in pädagogisch begleitete Freiarbeit: Das wären beispielsweise bei Deutsch oder Englisch je 1 Stunde Lektüre-/Kommunikationskurs die Woche und 3–4 h Freiarbeit; bei Physik oder Chemie wären es je 1 h Experimentierkurs und Freiarbeit.
Gelernt wird auf dem sogenannten „Marktplatz“: einer offenen Fläche mit fachspezifisch gestalteten Zonen – Deutsch mit kleiner Bibliothek, Mathematik mit Lernkästen zur Visualisierung theoretischer Konzepte, Englisch mit Lektüren und Lernhilfen. Jede Zone wird von Fachlehrkräften begleitet, die individuell unterstützen und Impulse geben. Das digitale Material ist auf den Endgeräten der Lernenden stets verfügbar – jederzeit und überall.

Auch die Leistungserbringung passt sich unserem digitalen und heterogenen Lernkonzept an. Einen wachsenden Anteil bilden prozessbegleitende und kooperative Leistungen, die den unterschiedlichen Lernwegen gerecht werden: Leistungen zeigen sich in authentischen Formaten – von Portfolios, digitalen Zeitungsartikeln und Forschungsprotokollen bis zu multimedialen Präsentationen oder digital gestützten Fachgesprächen. Neue Prüfungsformate machen Lernstände transparent und ermöglichen eine differenzierte, flexible Bewertung, die individuelle Stärken sichtbar werden lässt. So wird deutlich: Digitalität eröffnet Räume, in denen Heterogenität nicht als Herausforderung, sondern als Chance für vielfältige, passgenaue Leistung sichtbar wird.

Ohne diese digitale Lernumgebung wäre ein so hohes Maß an eigenständigem und verantwortungsvollen Lernen kaum denkbar. Erst sie ermöglicht , dass Schüler:innen ihre Kurse selbst wählen, nach Leistung und Interesse differenziert arbeiten und ihren Lernweg individuell gestalten können. Unser adaptives Unterrichtskonzept gewinnt durch digitale Werkzeuge entscheidend an Flexibilität – und macht personalisiertes Lernen im Alltag überhaupt umsetzbar.

Erfahrungen, Chancen, Perspektiven

Der Weg war nicht immer einfach. Manche Schüler:innen fühlten sich von der neuen Eigenverantwortung zunächst überfordert, manche Eltern fürchteten, ihre Kinder könnten beim Lernen allein gelassen werden, und auch Lehrkräfte hinterfragten den zusätzlichen Aufwand. Doch wir nahmen diese Bedenken ernst, schufen Räume für Austausch und Beteiligung und überzeugten die meisten, den Weg mit uns zu gehen.

Heute gestalten die Kolleg:innen den Unterricht dank digitaler Möglichkeiten interaktiver, inklusiver und individueller. Zugleich haben wir gelernt, dass nicht jede Lernphase von Digitalität profitiert: Wenn die 37. PowerPoint-Präsentation im Schuljahr abgespeichert wird oder Arbeitsblätter nur noch als PDFs erscheinen, verpufft der Mehrwert. Entscheidend ist der sinnvolle Einsatz – Qualität vor reiner Quantität.

Unsere nächsten Entwicklungsschritte liegen in der weiteren Ausweitung projektbasierter Lernformate und darin, auch die Oberstufe vollständig in das adaptive Lernkonzept einzubeziehen. Die ersten Jahrgänge, die ausschließlich mit dem neuen Modell aufgewachsen sind, erreichen nun die Sekundarstufe II und erwarten konsequente Weiterentwicklung.

Blick nach vorn

Digitale Medien sind für uns kein Trend, sondern ein Schlüssel, um die Zukunftskompetenzen von Schüler:innen und Lehrkräften zu stärken: kritisches Denken, Kreativität, Teamfähigkeit und die Fähigkeit, sich in einer vernetzten Welt sicher zu bewegen.

Dabei muss niemand ein „Digital-Nerd“ sein. Entscheidend ist der Mut, Neues auszuprobieren, Lücken zu akzeptieren und aus Erfahrungen zu lernen. Digitalität in der Schule ist kein fertiges Produkt, sondern ein lebendiger Prozess. Wir evaluieren, justieren und entwickeln uns weiter. So bleibt Lernen ein offenes Abenteuer – für unsere Schüler:innen ebenso wie für uns als Lehrkräfte.

Artikel aus Die Schule für alle  Heft 2025/4