Lernen mit digitalen Hilfsmitteln – ­so sehen es Jugendliche der ­Richtsbergschule in Marburg

Ein Gespräch mit David, Wanja, Ida, Oskar und Johan

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Konstanze Schneider im Gespräch 

Mit dem nachfolgenden Interview wollen wir zum Thema unseres Magazins auch Schülerinnen und Schüler zu Wort kommen lassen. Das Gespräch führte ich mit einer Gruppe von Jugendlichen aus dem Jahrgang 9/10 der Richtsbergschule in Marburg, einer integrierten Gesamtschule in Mittelhessen.

Einen ausführlichen Bericht und das Portrait der Richtsbergschule finden Sie im Magazin „Die Schule für alle“ 2020/1 auf S. 15ff.

Die Richtsbergschule hat seit 2019 ihr Lernkonzept verändert und arbeitet mit dem PerLenWerk (personalisierte Lernumgebung mit Werkstätten), jahrgangsübergreifend, mit individuellen Stundenplänen und Arbeitsplätzen für die Schülerinnen und Schüler. Sie ist gebundene Ganztagsschule und Kulturschule des Landes Hessen.(www.richtsbergschule.de) Die fünf Jugendlichen aus den Jahrgängen 9 und 10 lernen und arbeiten seit ihrem Start in der Richtsbergschule nach diesem Konzept

Sie besitzen alle ein Handy, das IPad für die Schule – das Pflicht ist und erworben werden muss – teilweise einen PC und nutzen die digitalen Möglichkeiten ihrer Familien, um zu spielen, Filme zu schauen und mit Freunden zu kommunizieren. Selbstkritisch schätzen sie ihre nicht-schulische Zeit an den digitalen Geräten auf 20–30 Stunden pro Woche. Drei der fünf jungen Leute lesen zurzeit ein Buch.


Eure Handys werden seit diesem Schuljahr morgens eingeschlossen. Wie ist das für euch?

Oskar: Ich finde das gar nicht schlimm. Vorher durften wir es auch nicht benutzen. Auf dem IPad kann man auch einiges machen.

Ida: Am Schultag brauche ich es nicht.

Wanja: In der Schule sind die Freunde, wenn ich alleine bin, brauche ich es mehr.


Wie ist euer Lernen in der Richtsbergschule organisiert und wie verwendet ihr das IPad?

Oskar: Jeder hat sein eigenes IPad und z. B. in Mathe haben wir eine App, da finden wir die Aufgaben, wir tippen sie ein. Rechnungen kann man entweder auf dem geteilten Bildschirm direkt machen oder auf einem Block wie früher.

Johan: Wir arbeiten meistens auf dem IPad und schicken, wenn wir alles bearbeitet haben, dem Lernbegleiter unsere Ergebnisse z.B. über Good Notes.

Wanja: Seit dem 10. Schuljahr schreiben wir zentrale Klassenarbeiten, meistens auf Papier. Vorher waren es Gelingensnachweise, die wir individuell angemeldet haben. Die waren auch auf Papier. Jetzt kann unsere Lehrerin z. B. in Mathe auf ihrem Bildschirm unsere Bildschirme sehen und nachverfolgen, wie wir arbeiten. Das geht digital.

Ida: Wir können uns auch aussuchen, ob wir auf dem IPad oder auf Papier schreiben. Meine Fremdsprachenlehrerin möchte, dass wir auch auf dem IPad nicht nur tippen, sondern auch mit dem Stift schreiben.


Wie seid ihr auf die andere Art des Arbeitens mit digitalen Medien vorbereitet worden?

Johan: Im 5. Schuljahr gab es eine Einführungswoche zum Umgang mit Medien. Da haben wir das Wichtigste gelernt. Man lernt es dann auch mit den anderen.

David: Ich kam erst später in die Richtsbergschule. Mir hat meine Lehrerin die wichtigsten Dinge gezeigt und erklärt und ich habe mir das nach und nach angeeignet. Es gibt auch genaue Vorgaben der Schule, wie die IPads gestaltet sein sollen und welche Apps erlaubt sind.


Welche Vorteile seht ihr bei der Gestaltung von Lernen, wie ihr sie hier erlebt?

Johan: Ich mache die Erfahrung, dass ich mich nicht so schnell ablenken lasse. Man lernt viel für die Medienkompetenz, wie man z. B. verschiedene Programme benutzt. Das braucht man später bestimmt im Beruf.

Oskar: Ich finde die Vielfältigkeit gut. Man hat auch Zugriff auf andere Lernprogramme und kann sich informieren. Außerdem kann man über den Chat mit den Lernbegleitern immer kommunizieren und bekommt Antwort und Hilfe. Früher hätte man sie anrufen müssen, was nicht alle wollen.

David: Für mich ist der große Vorteil beim digitalen Lernen, dass wir keine Bücher rumschleppen müssen, sondern alles auf dem IPad dabei haben. Das ist wirklich praktisch.

Ida: Da möchte ich direkt anschließen: Man verliert weniger Sachen. Wenn man seine Daten gut verwaltet, findet man alles wieder, auch durch die Cloud.

Wanja: Wenn man das IPad verliert oder vergisst, dann kann es blöd werden. Man kann dann an dem Tag schlecht mitarbeiten. Deshalb kommt das kaum vor. Das IPad gehört einfach dazu.


Seht ihr auch Nachteile?

Ida: Man kann sich sehr, sehr leicht ablenken lassen. Durch die ManagedAppleID ist es besser geworden. Aber man kann nebenbei ein YouTube-Video schauen oder etwas malen.

Wanja: Ich weiß noch, in der 5. Klasse konnte ich nicht damit umgehen, da konnte man sich noch Spiele runterladen.

David: Ich glaube es ist einfach ungesünder, den ganzen Tag auf den Bildschirm zu schauen. Das strengt die Augen an.

Johan: Je älter man wird und je ernster die Schule wird, desto weniger kann man es sich leisten, sich ablenken zu lassen. Ab der 8. Klasse ist das einfach so.

Ida: Ich finde, dass die Regelung mit den farbigen Ausweisen (siehe Konzept der IGS Richtsberg), die angeben, wo man sich aufhalten darf, hilft, konzentrierter zu arbeiten. Wenn ich meinen Arbeitsplatz frei wählen kann, das gefällt mir gut.


Eure Schule ist Ganztagsschule, wie sieht es mit der Lernzeit und Hausaufgaben aus?

David: In den Jahrgängen 5–8 gibt es Lernzeitaufgaben, die wir hier in der Schule machen.

Oskar: In der Zeit waren es nicht so viele Aufgaben, das war gut zu schaffen. Aber seit der 9. Klasse ist es sehr viel Stoff geworden. Dazu reicht die Lernzeit nicht aus. Deshalb finde ich, dass wir ab der 9  Klasse weniger Lernzeit, aber dafür mehr Unterricht haben sollten.

Johan: Es wird immer davon ausgegangen, dass wir alle super schlau sind, konzentriert durcharbeiten und 100 % der Zeit produktiv sind und das für alle Fächer, wenn man nicht so ist, dann ist der Inhalt einfach zu viel.

Ida: Unsere Woche ist ziemlich vollgeklatscht, wir haben 90 Minuten ‚Puffer’ im Stundenplan, aber das reicht nicht, um alles zu erledigen. In Klasse 5–8- war alles sehr entspannt, das ist jetzt anders.

Wanja: Es ist schon schwer, sich immer zu konzentrieren, mit den Freunden drum herum, das lenkt schon ab.

Oskar: Wir sind wirklich sehr durchgetaktet, vor allem, wenn Arbeiten geschrieben werden, die ja jetzt zentral stattfinden. Wenn man noch Bus fahren muss und auch im Sportverein aktiv ist, dann wird es abends oft spät.


Wie wird hier mit dem Thema künstliche Intelligenz umgegangen?

Johan: Es kommt auf den Lehrer an. Manche sind sehr streng und verbieten die Nutzung. Andere sind entspannt und sehen den Vorteil, dass wir lernen, KI zu nutzen und damit umzugehen.

Ida: Es ist doch so, dass wir bei den neuen IPads ChatGPT als App drauf haben?! Manche Lernbegleiter sind da total unentspannt, andere sagen, z. B. in Spanisch lass‘ mal KI deinen Text korrigieren. Aber da habe ich den Text ja selber geschrieben.

David: Genau, es kommt auf das Fach an: z. B. in Deutsch zum Thema Sachtexte kann KI meinen Text korrigieren und ich sehe meine Fehler. Aber in Mathe geht das nicht

Wanja: Ich nutze ChatGPT zur Recherche oder lasse mir helfen, wenn ich nicht weiter weiß oder lasse mir Lernvideos empfehlen. Natürlich kann man sich Hausaufgaben machen lassen, aber da muss man sich selber sagen, dass das nicht schlau ist. Denn es fehlt dann die Übung für die Lernkontrollen.


Welche Botschaft habt ihr an eure Lehrer und Lehrerinnen?

David: Ich finde, unsere Lehrer machen das ganz gut. Ich wüsste nicht, was sie verbessern sollten.

Wanja: Unsere Lehrer sind auch sehr fit mit den digitalen Geräten. Manchmal muss man ihnen bei Apple TV helfen oder sie fragen, wer kennt sich hier aus und wir unterstützen sie.

Johan: Schule sollte helfen, das zu unterstützen, was man gut kann. Es sollten alle zusammen lernen und es soll nicht immer nur um Leistung gehen.

David. Lehrer sollten Nächstenliebe zeigen und nicht zu streng sein. Die Lehrer waren doch auch alle mal Schüler, das sollten sie bedenken. Bei uns gibt es ein gutes Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern, das ist gut so.

Artikel aus Die Schule für alle  Heft 2025/4