überregional
Die GGG

 

­

Erklärung zur Schulbaukultur

Beschluss der Mitgliederversammlung am 23. Nov. 2013 in Bielefeld

Wie Schulen geplant und gebaut werden, wie sie aussehen, welches Ambiente sie ausstrahlen, wie sie genutzt werden können und wie sie tatsächlich genutzt werden, ist Ausdruck des Wertes, den die Gesellschaft der Jugend und damit ihrer eigenen Zukunft beimisst.

Die räumliche Gestaltung von Schulen beeinflusst wesentlich die realisierbare Pädagogik; nicht umsonst gilt der Raum als dritter Pädagoge (neben Mitschülern und Lehrpersonen).

Bestehende Schulgebäude werden z.T. seit über 100 Jahren genutzt. In der Zwischenzeit hat es viele Schülergenerationen, mehrere Lehrergenerationen und einige Wechsel in den pädagogischen Vorstellungen gegeben. Die Gebäude werden den geänderten aktuellen Anforderungen vielfach nicht gerecht.

Eine Kette von Klassenräumen, ergänzt durch meist zentrale Fach- und Sanitärräume und erschlossen durch nur dem Verkehr dienende Flure, galt früher und gilt z.T. auch noch heute als ausreichend für die vorherrschenden traditionellen pädagogischen Vorstellungen.

Heute und künftig muss die Schule ihr demokratiestiftendes Potential entfalten. Sie muss zur Realisierung von Chancengleichheit beitragen. Sie muss Lernort und darüber hinaus Le­bens­ort sein. Mit der ganztägigen inklusiven Schule werden entsprechende Funktionen und Strukturmerkmale wichtig, traditionelle Muster treten zurück:

Die Individualität von Lernprozessen wird stärker respektiert, das Lernen als aktives Auseinandersetzen mit Gegenständen und Problemen findet größere Beachtung:

Es müssen gleichzeitig unterschiedliche Aktionsformen, Lernformen und -arrangements möglich sein, sowie der Wechsel zwischen ihnen (einzeln, mit Partner, in Kleingruppe, in Stamm-/Lerngruppe, Team/Jahrgang, Altersstufe, ganze Schule). Auch Kommunikation und demokratische Verständigung aller am Schulleben Beteiligten müssen Raum finden.

Inklusion als Zugehörigkeit aller ist Menschenrecht und schon deshalb an jeder Schule zu realisieren. Das heißt u.a. Bereitstellung benötigter Unterstützungsmittel, barrierefreie Zugänge, Rückzugs- und Therapieräume von hinreichender Größe und Qualität für alle in der Schule Lernenden und Beschäftigten.

Die Schule wird ganztägiger Lern- und vor allem Lebensraum für alle am Schulleben Beteiligten: Mensen, Mediatheken, Arbeits-, Aufenthalts-, Freizeit- und Ruheräume sind erforderlich, auch für die in der Schule arbeitenden Menschen, ebenso Räume für Schüler- und Elternvertretung.

Schulen sind gesundheitsstiftende Orte: Das erfordert angemessene Räume zum Essen für alle und zur Essenszubereitung (Mensa einschließlich Küchen), Plätze für Sport und Spiel, aber auch, dass Stressfaktoren wie ungeeignetes Licht, Lärm, unzureichende Belüftung und Enge vermieden werden.

Im Umgang mit Technik und Umwelt ist Schule Lernfeld und erlebtes Vorbild: Einerseits müssen Orte für entsprechendes eigenes Beobachten, Experimentieren, Konstruieren und Herstellen vorhanden sein, andererseits muss die Schule selbst nachhaltig gebaut und betrieben werden.

Schulen sind kulturstiftende Orte: Kulturelles und ästhetisches Lernen durch aktives Tun muss für alle Lernenden möglich sein. Werkstätten, Präsentationsräume, Proben- und Aufführungsräume für Musik, Theater und Tanz sind erforderlich.

Schulen öffnen sich ihrem Umfeld: Schule wird als Glied einer Kette von Bildungseinrichtungen in stärkerem Maße in das soziale Leben im Quartier eingebettet, ihre Räume und Ressourcen stehen auch außerschulisch zur Verfügung. Dies gelingt nur dann reibungsarm, wenn die dafür vorgesehenen Räume ohne Beeinträchtigung der Schülerstammräume und der pädagogischen Arbeit genutzt werden können.

Neue, insbesondere digitale Medien wie Internet und Computer treten ergänzend zu traditionellen hinzu: Mediatheken sind an jeder Schule einzurichten sowie Infrastruktur und Ausstattung für die Nutzung neuer Medien zu schaffen. Einfacher Zugang zu Information, Recherche und Präsentation muss für jeden möglich sein.

Schule ist zunehmend Arbeitsplatz multiprofessioneller Teams: Auch in dieser Hinsicht öffnet sich die Schule. Weitere Instanzen ergänzen zunehmend die traditionelle Arbeit: Lehrer/innen unterschiedlicher Professionalisierung, Erzieher, Sozialpädagogen, Jugendhilfe, Schulpsychologie, Berufsberatung, Gemeindebibliothek, VHS, Eltern, Freie Träger, Sportvereine u.a. Ohne Orte hierfür kann diese Arbeit nicht geleistet werden.

Paradigmenwechsel von exklusiver zu inklusiver Schule, von belehrender zu lernender Schule, von geschlossener zu offener Schule, von verwalteter zu selbstständiger Schule, von fremd zu selbst bestimmter Schule, von obrigkeitlicher zu demokratischer Schule erfordern eine hiermit vereinbare Schulbaukultur; sie muss Bestandteil der Schulentwicklung sein. Die räumliche Gestaltung

  • muss eine Aufenthaltsqualität schaffen, die dazu beiträgt, dass sich die an Schule Beteiligten dort wohl fühlen und gern hingehen,
  • muss mit den pädagogischen Schwerpunkten der Schule verträglich sein und die pädagogische Praxis unterstützen.

Hierfür fordern wir:

Schulbaurichtlinien und Musterraumprogramme müssen zu Leitlinien und Flächenprogrammen für die Planung und Realisierung zukunftsfähiger Schulbauten weiterentwickelt werden. Sie sollten von pädagogischen Funktionen ausgehen. Flächen sind multifunktional und differenzierend auszuweisen. Dies gilt insbesondere für Außen-, Verkehrs- und Erschließungsflächen.

Schulbau-Vorhaben müssen partnerschaftlich und im Konsens durch die Schulgemeinde einschließlich ihrer Nachbarschaft, die Kommunale Verwaltung und Architekten geplant und realisiert werden. Unabhängige fachliche Beratung muss zur Verfügung stehen.
Gebäude sind so flexibel zu planen und zu bauen, dass sie der Schulentwicklung während ihrer gesamten Nutzungsdauer gerecht werden können.

Entscheidungen über Art, Ausstattung und Anzahl von Räumen müssen zukünftige pädagogische Entwicklungsvorhaben, wie sie etwa in Schulprogrammen dargestellt sind, berücksichtigen und ermöglichen. Sie dürfen nicht derzeitige Nutzungsgewohnheiten nur fortschreiben.

Auch dem Umbau vorhandener Schulen ist ein pädagogisches Gesamtnutzungskonzept zu Grunde zu legen. Das bloße Hinzufügen fehlender Räume reicht nicht.

Schulsanierungen müssen auch für den Umbau auf Grund veränderter pädagogische Anforderungen genutzt werden und dürfen sich nicht ausschließlich auf Substanzerhaltung und Pflege beschränken